Unter den vielen
interessanten Wasserinsekten in den algenreichen, besonnten
Kleingewässern fallen Ruderwanzen (Corixidaw) durch ihre
lebhafte und gewandte Fortbewegung besonders gut auf. Es lohnt sich,
den „Schwimmstil“ dieser auch recht fluglustigen Tiere etwas
näher unter die Lupe zu nehmen und gleichzeitig auf ihre Fähigkeiten
zur Lauterzeugung (Stridulation) zu achten, die eng mit Bewegungen
der Vorderextremitäten in Zusammenhang steht.
Bereits bei einer
oberflächlichen Betrachtung des wohl bekanntesten Ruderwanzen
Vertreters, Corixa punctata, fällt der unterschiedliche Bau der
drei Beinpaare auf. Die kurzen Vorderbeine (Propodien) dienen vor
allem dem Herbeistrudeln von Nahrung (Detritus). An den Mittelbeinen
(Mesopodien) sitzen auffallend lange Klauen. Mit ihnen halten sich
die in der Regel überkompensierten Tiere an Wasserpflanzen oder am
Gewässerboden fest. Ausserdem übernehmen die Mittelbeine beim
Schwimmen Steuerfunktionen. Die Hinterbeine (Metapodien) sind in
bemerkenswerter Weise zu Ruderbeinen umgebildet. Sie stellen nicht
nur außerordentlich lange (über 80% der Körperlänge einnehmend),
sondern, wie aus den Tarus-Querschnitten hervorgeht, auch regelrecht
abgeplattete Ruderblätter dar. Allein diese Abflachung würde
bereits eine ausgezeichnete Ruderwirkung bedingen.Durch weitere
komplizierte Mechanismen, wie ein kräftigere Ausprägung und
spezielle Anordnung der Schwimmwimpern, wird aber noch eine bessere
Effektivität erzielt. Bei stärkerer Vergrößerung sieht man, dass
diese Wimpern auf zwei Felder lokalisiert und sehr regelmäßig
angeordnet sind. Ein Schwimmbein ist mit etwa 5.000 Schwimmwimpern
besetzt, die sich in zwei Typen, Außen- und Innenwimpern,
aufgliedern. Die Innenwimpern haben einen Durchmesser von etwa
0,0025mm und überwiegen deutlich. Jede Wimper besitzt an ihrer Basis
ein Gelenk mit einem Basalring, der stets zur gegenüberliegenden
Beinaußenkante hin unterbrochen ist. Beim Ruderschlag sind die
Schwimmwimpern aufgerichtet, da sie am Basalring ein entsprechendes
Widerlager finden. Während des Vorschwingens der Metapodien klappen
dagegen alle mechanisch um und verringern damit den Wasserwiderstand.
Dieses überaus praktische System wird noch durch die an den
Extremitäten ausgebildeten Stacheln ergänzt. Beim Ruderschlag
richten sich nämlich die Stacheln etwas auf und stützen die
Außenwimpern, welche wiederum ihrerseits die noch feineren
Innenwimpern halten. So bildet das Wimpernsystem ein äußerst
feinmaschiges Gitternetz, das bei der Beinbewegung im Wasser ständig
auf- und abgebaut wird.
Der Ruderschlag
der Ruderwanze verläuft beim Geradeaus-schwimmen immer synchron.
Interessanterweise ändert sich dieser Bewegungsablauf auch dann
nicht, wenn man die Tiere zwangsweise an Land setzt. Vorder- und
Mittelbeine werden beim Schwimmen an die Bauchseite herangezogen. Die
für den Vortrieb allein verantwortlichen Hinterbeine weisen pro
Sekunde eine Frequenz von 5 bis 6 Ruderschläge auf. Der Vergleich
der Corixa-Metopodien mit einem Ruder trifft nun allerdings nur im
Hinblick auf ihre Form, nicht aber den Bewegungsablauf zu. Einem
starren Ruder sind die Schwimmbeine klar überlegen. So muss das
Bootsrufer beim Vorwärtsschlag, um überhaupt Wirkung zu erzielen,
aus dem Wasser gehoben werden, da sonst der Widerstand ähnlich groß
wie beim Rückwärtsschlag ist. Durch eine Reihe von Mechanismen wird
bei den Wasserwanzen der Wasserwiderstand beim Vorschwingen sehr
klein gehalten. Neben dem schon erwähnten Bewegungsablauf des
Wimpernsystems wirkt sich auch der spezifische Bau der Beine (z.B.
Querschnittform der Einzelglieder, veränderliche Stellung der
Glieder zueinander) vorteilhaft aus. Untersuchungen zur
Ablaufgeschwindigkeit der Ruderbewegungen zeigten, dass das
Vorschwingen, welche die Vorwärtsbewegung unvermeidlich vermindert,
viel langsamer als der Ruderschlag erfolgt. Aus solchen
außerordentlich aufwendigen Untersuchungen geht außerdem hervor,
dass die Ruderbewegung erst bei höherer Frequenzen, d.h. bei kurzer
Schlagzeit, einen optimalen Nutzeffekt erreicht.
Ruderwanzen können
eine Schwimmgeschwindigkeit von über einem halben Meter pro Sekunde
aufweisen. Dieses beachtliche Tempo erreichen sie allerdings nur in
Gefahrensituationen. Beim Abtauchen nach dem Luftholen wird die erste
Wegstrecke meist besonders schnell zurückgelegt. Im tieferen
Wasserbereich ist die Schwimmgeschwindigkeit dann wesentlich
langsamer.
Recht interessant
sind auch die verschiedenen Steuerungsmöglichkeiten der Ruderwanzen
Corixiden. Corixa kann die Bewegungsrichtung nach allen Seiten
hin ändern. An der Steuerung sind die Mesopodien beteiligt. Das
Vertikalsteuern wird in erster Linie durch eine veränderte Stellung
der Ruderflächen der Metapodien erreicht. In Zusammenhang mit der
Antriebswirkung der Ruderbeine bewerkstelligen die Tiere durch
entsprechende Stellung der Mesopodien ebenfalls das Auf- oder
Abtauchen.
Ein Schwimmen nach
rechts oder links lässt sich bereits bei Abwandelung des synchronen
Schlagrhythmus bewirken. Entweder schwingt eine Extremität schneller
nach vorn oder der Rückschlag (Ruderstoß) wird mit
unterschiedlicher Kraft ausgeführt. Dabei unterstützen wiederum die
Mittelbeine den Drehvorgang in der horizontalen Ebene durch
einseitiges Bremsen. Kombiniertes horizontales und vertikales Steuern
führt zu Änderungen der Schwimmrichtung. Es wäre sogar ein
spiralförmiges Schwimmen vorstellbar. In der Natur ist dies
aber nur andeutungsweise verwirklicht.
Ihre Fähigkeiten,
zirpende Töne zu erzeugen, brachte den Ruderwanzen den Namen
„Wasserzikaden“ ein. Allerdings sind nicht alle Ruderwanzen der
Corixa-Arten „Musikanten“, und bei den in Frage kommenden Arten
vermögen offenbar nur die Männchen Töne hervorzubringen. Da sich
an den abendlichen Konzerten im Frühjahr viele Männchen
beteiligen, ist das Zirpen auch noch meterweit gut wahrnehmbar.
Vermutlich steht die Stridulation in Zusammenhang mit der
Fortpflanzung, und die Weibchen der betreffenden Arten können die
Töne hören.
Die von den
einzelnen Wasserwanzen produzierte „Musik“ dauert nur
wenige Sekunden. Bei der Tonerzeugung hält sich das Tier mit den
Mesopodien an einer Wasserpflanze fest, die Ruderbeine werden weit
abgestreckt. In Bewegung sind nur die Propodien. Sie reiben mit den
Innenseiten der Vorderschenkel an den Kopfseiten. Die Töne entstehen
dabei offensichtlich durch Berührung der Schrillborsten, die sich in
einem Schrillfeld am Schenkel konzentieren. Diese Borsten fehlen den
Weibchen und sind von Art zu Art etwas unterschiedlich geformt. Eine
Beteiligung anderer Körperabschnitte an der Tonerzeugung wurde zwar
mehrfach erwogen, scheint aber nicht vorzuliegen. Dadurch, dass
entweder nur ein Schenkel oder beide gleichzeitig an der gerieften
Außenkante der Oberlippen entlang streichen, werden zweierlei Töne
erzeugt.