Wenn man das oft
reiche und bunte Flaterleben auf einer sommerlichen Wiese, mit vielen
Bläulingen (Lycaena), Ochsenaugen (Maniola), Heu- (Coenonympha),
Perlmutter- (Argynnis), Schenckenfaltern (Melitaea), Blutströpfchen
(Zygaena) und wie sie alle heißen, beobachten, wer vermutet bei all
den Schmetterlingen schon, dass im Wasser des angrenzenden
Weihers Entwicklungsstadien von Schmetterlingen vorkommen. In einem
Fall führt sogar der Falter selbst ein echtes Wasserleben.
Denkt man an die
enge Verwandschaft der Schmetterlinge mit dem Köcherfliegen, deren
Larven ja fast ausschließlich im Wasser leben, so darf es freilich
nicht überraschen, dass auch bei einigen Schmetterlingsarten
recht ausgeprägte Beziehungen zum Wasserleben vorliegen.
Den Übergang zu
echten aquatilen Formen bilden Arten, deren Raupen auch unter Wasser
in Stengeln oder Wurzeln von Sumpf- und Wasserpflanzen leben, direkt
mit dem Wasser jedoch keine Berührung haben. Der notwendige
Sauerstoff steht ihnen in den Interzellularräumen
(Zwischenzellräumen) der Futterpflanzen zur Verfügung. Ihre
Lebensweise entspricht demnach im wesentlichen der jener Raupen, die
in Landpflanzen minieren. Solche Verhältnisse treffen z.B. für
verschiedene Eulenfalter zu, deren Raupen im Gemeinen Schilf,
Rohr- und Igelkolben, Wasserschwaden, in Wasserschwertlilien,
Teichsimsen und Seggen leben.
Die meisten
Wasserschmetterlinge kommen in den Tropen vor. In der
europäischen Fauna finden sich Formen mit der willkommensten
Anpassung an das Wasserleben innerhalb der Familien der Zünsler
(Pyralidae).
Der Zünsler
Nymphula (Hydrocampa) nymphaeata tritt zur Fortpflanzungszeit über
pflanzenreichen stehenden Gewässern oft in großen Schwärmen
auf. Unruhig flattern die weißen, bräunlich gezeichneten
Schmetterlinge dahin. Die Männchen jagen den Weibchen teils
fliegend, teils auf der Wasseroberfläche entlanglaufend nach.
Unmittelbar nach der Paarung werden die Eier an der Unterseite von
Seerosen-, Teichrosen- und Laichkrautblättern abgelegt. Die Weibchen
halten sich dabei mit den Beinen am Rand der Schwimmblätter fest,
strecken den Hinterleib ins Wasser und heften die Eier in Reihen auf
der Blattunterseite an. Schon bald nach dem Schlüpfen ergreifen die
Eiräupchen (erstes Larvenstadium) ein vorübertreibendes kleines
Blatt, bedecken sich damit und sitzen nun in einem einfachen Gehäuse.
Im August sind die Schwimmblätter Unterseiten mit derartigen
Gehäusen häufig wie übersät. Später schneiden die Raupen mit
ihren inzwischen kräftig ausgebildeten Kiefern am Schwimmblattrand
zwei etwa elliptische Blattstücke heraus und spinnen diese
längsseits zu einem flachen Gehäuse zusammen, das völlig mit
Wasser gefüllt ist. Die Schmetterlings-Raupen leben darin im Bereich
des Pflanzengürtels und atmen zunächst ausschließlich durch die
Haut.
Der Ortswechsel
erfolgt meist passiv durch die Wasserbewegung, mitunter strecken sich
die Raupen auch lang aus ihrem Gehäuse heraus und greifen nach den
in der Nähe befindlichen Schwimmblättern. Stirbt der
Pflanzenteppich im Herbst ab, dann sinken mit den faulenden
Pflanzenteilen auch die Raupen in ihren Gehäusen auf den
Gewässerboden, wo sie den Winter über ruhen.
Im Frühjahr
steigen sie an den ersten Trieben ihrer Futterpflanzen wieder zur
Wasseroberfläche empor, beginnen zu fressen, wachsen heraus und
bauen größere Gehäuse. Nach einer der letzten Häutungen wird die
ursprünglich glatten Haut durch eine dichte Schicht kurzer Haare
unbenetzbar, das Gehäuse mit Luft gefüllt, und die Stigmen
(Atemöffnungen) öffnen sich. Die Frage nach der Herkunft der
Gehäuseluft ist noch nicht sicher geklärt. Wahrscheinlich handelt
es sich aber um atmosphärische Luft, die beim Aufenthalt auf der
Schwimmblattoberseite in den Köcher eindringt. Zur Erneuerung der
Atemluft strecken die Raupen den Vorderkörper aus dem Wasser heraus
und bringen dann beim Zurückziehen von der Haarschicht festgehaltene
Frischluft in des Gehäuse ein.
Der Raupenfraß
verstärkt sich im Sommer zusehends. Oft sind die
Schwimmblätter fast völlig aufgefressen. Schließlich verpuppen
sich die Raupen. Etwa 5 bis 10 cm unter der Wasseroberfläche findet
man an Pflanzenstengeln die den Raupengehäusen ähnlichen
Puppenhüllen. Die beiden Blattstücke umgreifen jeweils den Stengel
und stehen flügelartig von ihm ab. Innerhalb des Gehäuses wird die
Puppe noch von einem luftgefüllten Gespinst umgeben. Auch hier
besteht über die Herkunft der Luft keine Klarheit.
Verblüffend ist
die Art und Weise, wie der Schmetterling unbeschadet an die
Wasseroberfläche gelangt. Während bei den Köcherfliegen die Puppen
ihre Hüllen verlassen und zum Wasserspiegel emporsteigen, müssen
die Schmetterlinge diesen Weg selbst bewältigen. Sobald die
Puppenhülle gesprengt ist, nimmt der Schmetterling die im Gespinst
enthaltene Luft unter seine Flügel und schießt durch den so
entstandenen Auftrieb regelrecht zur Wasseroberfläche empor. Dabei
wird gleichzeitig der feine, die Flügel schützende Wachsüberzug
abgestreift. Wie eine Köcherfliege läuft der Schmetterling dann
über den Wasserspiegel zum Ufer, entfaltet dort seine Flügel
vollständig und erhebt sich wenig später in die Luft.
Noch besser an das
Wasserleben angepasst sind die Raupen von Raraponyx stratiotata. Sie
kommen im Laufe ihrer Entwicklung überhaupt nicht an die
Wasseroberfläche und atmen – ähnlich wie Larven und Puppen von
Köcherfliegen oder anderen Wasserinsektenlarven – durch
fadenförmige Tracheenkiemen, die büschelartig auf dem Rücken und
an den Seiten stehen. Als Futterpflanze wird die Krebsschere
(Stratiotes aloides) bevorzugt. Interessanterweise können die
Raupen, die ihr Gehäuse ebenfalls aus Blattstücken bauen, durch
Schwingungsbewegungen für eine Frischwasserzufuhr sorgen. Die Puppe
atmet in ihrem mit Luft gefülltem Gehäuse wieder durch Stigmen.
Der zweifellos
merkwürdigste Wasserschmetterling ist der Zünsler Acentropus
niveus. Seine Raupen leben anfangs in Stengeln von
Wasserpflanzen, später frei in Pflanzengehäusen, mit denen sie
langsam umher kriechen. Die Puppe ruht wie bei den anderen Formen in
einem luftgefüllten Kokon. Wenn die Schmetterlinge im Juli
schlüpfen, treten zwei Weibchenformen auf, normal geflügelte und
stummelflügliche Weibchen. Früher wurden beide Formen lange als
völlig getrennte Arten angesehen und daher mit unterschiedlichen
Namen belegt. Es mangelte auch nicht an Legenden zur Biologie dieser
interessanten Schmetterlingsart, deren Lebensweise selbst heute in
manchen Details noch nicht zufriedenstellend geklärt ist.
Die flugunfähigen
stummelflügeligen Weibchen bleiben zeitlebens im Wasser. Mittel- und
Hinterbeine dienen ihnen durch den starken Haarbesatz als
wirkungsvolle Schwimmgliedmaßen, so dass sie sich recht gewandt im
Wasser fortbewegen können. In Paarungsstimmung schwimmen die Tiere
dicht an die Wasseroberfläche und strecken das
Hinterleibsende aus dem Wasser heraus. Daraufhin vollziehen die dicht
über dem Wasser unruhig umherfliegenden Männchen die Begattung, die
bei den geflügelten Weibchen in der Luft erfolgt. Unmittelbar nach
der Paarung schwimmt das Weibchen wieder abwärts, legt seine Eier an
submersen Pflanzen ab und stirbt.