Trotz ihrer doch unbestrittenen
Bedeutung als Schnecken- und Insektenvertilger in Wald, Feld und
Garten, werden Kröten leider auch heute noch vielfach durch
Unwissenheit und Aberglaube in Verruf gebracht. Oft hört man, wie
hässlich, ekelig und giftig Kröten sind. Solche oder ähnliche
„schmückende“ Beiworte gehen wohl auf den gedrungenen, plumpen
Körperbau, ihre warzige Haut, die keineswegs für alle Arten
zutreffende dunkle Färbung, überwiegend nächtliche Lebensweise und
schließlich auf das von den großen Ohrdrüsen (Parotiden) und der
Haut produzierte giftig Sekret (Bufotalin, u.a.) zurück, das jedoch
nur bei sehr starker Reizung abgesondert wird. Es trifft natürlich
auch nicht zu, dass man nach dem Anfassen dieser Tiere Warzen
bekommt.
Die meisten Begegnungen mit Kröten,
besonders der häufigsten Art, der Erdkröte (Bufo bufo),
dürfte sich im zeitigen Frühjahr zur Laichzeit ergeben. Die übrige
Zeit des Jahres bleiben uns diese nachtaktiven Amphibien weitgehend
verborgen. So ist es verständlich, dass trotz bemerkenswerter
Forschungsarbeiten das Wissen über die Kröten noch immer viele
Lücken aufweist. Einer der interessantesten Aspekte, mit dem sich
vor allem Schweizer Forscher befassten, ist ihre enge Bindung an das
Laichgewässer.
Sobald im März
das Thermometer abends nicht mehr unter 5 Grad Celsius fällt,
verlassen die Erdkröten bei Regen oder feuchtwarmer Witterung
ihr Winterquartier. Oft sind es Hunderte oder sogar Tausende, die mit
verblüffender Zielstrebigkeit zum Teil über einen Kilometer weit zu
dem Gewässer ziehen, wo sie einst als Larve schlüpften. Viele
Männchen finden bereits während der nächtlichen Wanderung ein
Weibchen. Sie klammern sich mit den Vorderfüßen unter der Achsel
des fast immer größeren Partners fest und lassen sich von der
„Auserwählten“ zum Wasser tragen. Die an den ersten drei Fingern
ausgebildeten Brustschwielen begünstigen das Festhalten, und es
erfordert doch einen ziemlichen Kraftaufwand, wenn man das Paar
trennen will. Offen ist derzeit noch die Frag, wie sich die in
breiter Front wandernden Tiere orientieren. Auch über die die
Wanderung auslösenden Faktoren existieren noch keine endgültige
Klarheit. Auszugweis sei dazu die Ansicht des Züricher Herpetologen
H. Heusser zitiert: „Die Wanderbereitschaft hängt nicht nur vom
Regengrad und der Abendtemperatur ab, sondern auch von der
Kalenderzeit. Diese Kalendergebundenheit der Wanderung wird als
Ausdruck eines relativ temperatur-unabhängigen Wandertriebes, der
auf seine Sollzeit angesetzt ist, aufgefasst. Am besten lässt sich
die Sollzeit der Wanderung charakterisieren als Zeitpunkt der
durchschnittlich frühsten Eignung des Laichplatzes unter
Bedienungen, die die Anwanderung zu diesem Platz gestattet. Die
Sollzeit der Laichwanderung ist populationsspezifisch angesetzt.“
Im Laichgewässer
warten die „ledigen“ Männchen auf die wenigen unverpaart
ankommenden Weibchen. Es herrscht Männchenüberschuss! Je nach der
Population kann der Männchenanteil etwa 60 bis 90 % betragen. Dies
bringt es mit sich, dass die „Junggesellen“ auch versuchen,
bereits verpaarte Weibchen zu umklammern. Nicht immer kann der
Nebenbuhler erfolgreich abgewehrt werden. Oft schwimmen weitere
Männchen heran, hängen sich ebenfalls an das Kröten-Paar
und bilden einen festen Knäuel, der gelegentlich aus über einem
Dutzend Kröten bestehen kann. Derart eingeschnürt wird das in der
Mitte des Klumpens befindliche Weibchen manchmal regelrecht erdrückt,
oder es kommt nicht mehr zum Luftholen an die Wasseroberfläche und
ertrinkt. Selbst am toten Weibchen klammern noch brünstige Männchen.
In fortgeschrittener Paarungsstimmung schwimmen sie auch Holzstücke
und eigentlich alles sich bewegenden Objekte an, sei es ein Frosch,
Fisch oder der Finger des Beobachters.
Meist laichen
viele Kröten-Paare gleichzeitig ab, so dass unter günstigen
Bedingungen das Laichgeschäft einer Population schon nach etwa einer
Woche beendet ist. Die 3 bis 5 m langen gallertigen Laichschnüre
sind bevorzugt an Schilf-, Binsenhalmen, im Wasser stehenden
Grasbüscheln oder in Ermangelung von Wasserpflanzen, z.B. in
Kiesgrubentümpeln, an Ästen oder anderen Ersatzstrukturen
verankert. Nach dem Ablaichen trennen sich die Paare, und die Kröten
wandern bald darauf zu ihrem 500 bis 1.500 m vom Laichplatz
entfernten Sommerquartier.
Ihre erstaunliche
Bindung an einen bestimmten Laichplatz wurde durch
Markierungsversuche nachgewiesen. Verschiedene Untersuchungen
zeigten, dass verfrachtete Kröten zum „eigenen“ Laichplatz
zurückkehren. Ein zur Laichzeit zwischen Tieren zweier benachbarter
Laichplätze durchgeführter Austausch war im folgenden Jahr im Sinne
der Ausgangssituation wieder korrigiert. Dieser Ortstreue liegt
vermutlich eine populationsspezifische, schon auf sehr frühem
Entwicklungsstadium erfolgte Prägung zugrunde. Wie besonders nach
Biotopveränderungen deutlich wir, suchen die in Wanderstimmung
befindlichen Erdkröten den Laichplatz zunächst unabhängig von der
Wasserführung als einem bestimmten geographischen Ort auf. So kehren
sie sogar zum Laichplatz zurück, wenn er ausgetrocknet oder
zugeschüttet ist. Fazit dieser Verhaltensweise ist, die Individuen
bleiben zwar erhalten, es fehlt jedoch die Nachkommenschaft, so dass
die Population schließlich ausstirbt. Wenn nun alle Tiere derart
reagieren würden, dann wäre eine Neubesiedlung von Gewässern
problematisch oder nur auf passivem Weg durch Verschleppung von Laich
möglich. Ein geringer Prozentsatz erweist sich daher wohl als so
flexibel, dass auch benachbarte Laichgewässer angenommen werde.
Mit der
zunehmenden Zergliederung der Landschaften durch den Straßenbau
entstand eine weitere tödliche Gefahr für den Amphibienbestand –
nämlich der Straßentod. Das Sammeln und Auszählen der auf den
Straßen liegenden Tierleichen, der sogenannten „DOR-Tiere“ (dead
on road), ist bereits zu einer Standardmethode für Bestandsaufnahmen
geworden. Wie in den USA ergibt sich in dieser Hinsicht auch für
Europa ein alarmierendes Zahlenmaterial. Unter den Jahr für Jahr zu
ihren traditionellen Laichplätzen wandernden Kröten und
Fröschen kommt es zu wahren Massakern. So fand man bei regelmäßigen
Kontrollen bestimmter Straßenabschnitte im Laufe des Jahres 1957 auf
Hauptstraßen 32.820, Landstraßen 54.659 und Nebenstraßen 95.610
überfahrene Amphibien. Bei Vögeln liegt die Verlustquote zum Teil
nach weitaus höher.
Wird in der Nähe
eines Laichplatzes eine Straße gebaut, so kann die dortige
Population bei dichtem Autoverkehr derart dezimiert werde, dass sich
nach mehreren Jahren erlischt. Über eine auf diese Weise in der
Umgebung von Iwerne Minster (England) vernichtete
Erdkröten-Population berichtete schon H. Moore. In jüngster Zeit
wurden u.a. in Bayern an Stellen, wo Amphibien zur Laichperiode
regelmäßig neu angelegte Straßen passieren, durch den dichten
Verkehr nicht selten 100 Tiere pro Nacht überfahren. Als im Frühjahr
1975 an der Autobahn vor Murnau innerhalb weniger Stunden etwa 6.000
bis 8.000 Grasfrösche und Erdkröten die Fahrbahn
überquerten, kamen in einer einzigen Nacht rund 3.000 Tiere um. Nach
einem Verkehrsunfall sperrte man die Autobahn, sammelte die noch
ankommenden Amphibien ein und trug sie auf die andere Straßenseite.
Nicht alle der
bisher zur Verhinderung solcher Massensterben getroffenen Maßnahmen
haben sich als dauerhafte Lösung erwiesen. Aufgestellte
Amphibienwarnzeichen bieten selbst in Kombination mit einer
Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit für die wandernden
Amphibien keinen Schutz. Wer die Reaktion der meisten Autofahrer
auf Wildwechsel- und Viehaustrieb-Verkehrszeichen kennt, kann sich
vorstellen, dass diese Verkehrsteilnehmer ein Froschsymbol noch
weniger ernst nehmen. Straßensperrungen oder Umleitungen sind –
abgesehen von den Schwierigkeiten, die hier bei stark frequentierten
Strecken auftreten – gleichfalls Scheinlösungen. Denkt man daran
das die Straßen jährlich dreimal von Amphibien überquert werden,
bei der Wanderung zum Laichplatz, der Rückwanderung und beim Auszug
der Jungtiere.
Wirksame Maßnahmen
sind das errichten von Plastikzäunen an kritischen Stellen. Die sich
vor der Abschrankung und in den dort angelegten Fanggefäßen
ansammelnden Tiere wurden anfangs in jedem Frühjahr über die
Straßen getragen. Zweifellos war damit noch keine befriedigende
Lösung erreicht, denn auf dem Rückzug und Auszug drohen Alt- und
Jungtieren die gleichen Gefahren. Sie entfallen erst bei der Anlage
von Straßenunterführungen oder Untertunnellungen. Der Bau solcher
Projekte wird recht unterschiedliche betrieben. In der Schweiz legt
man z.B. entlang der Amphibienzäune im Abstand von 30 bis 50
m „Doppel-Einwegunterführungen“, d.h. je eine Röhre (bis 40 cm)
für den Hin- und Rückweg an. An dem einen Ende der Röhre befindet
sich ein Einfallschacht, am anderen eine Auswurf Öffnung.
Der schon erwähnte
Amphibienübergang bei Murnau (Bayern) wurde mit einer 80 cm weiten
Betonröhre untertunnelt. Eine trichterförmige Zaunanlage führt die
Amphibien an die Röhre heran. Als zusätzliche Sicherung
wurde beidseitig an dem parallel zur Autobahn verlaufenden
Wildschutzzaun noch eine 1 km lange und 50 cm hohe Plastikplane
angebracht.
Die wohl beste und
noch dazu mit geringerem Kostenaufwand verbundene Lösung ist der Bau
eines Ersatzlaichteiches, in den die mit Hilfe eines Amphibienzaunes
und von Fanggefäßen am Passieren der Straße gehinderten
Elterntiere bis zum Ablaichen eingesetzt werden. Ein kreisförmiger
Plastikzaun verhindert das Entweichen aus dem neuen Biotop.
Die
schlüpfenden Jungtiere sind nun auf diesen Laichplatz geprägt und
somit vor dem Straßentod bewahrt. Nach der Laichablage wird die
Absperrung bis zum März des nächsten Jahres wieder entfernt. Alt-
und Jungtiere können dann in ihre Wohngebiete abwandern.
Entsprechend der Lebenserwartung der Erdkröten muss die
Absperrung an der Straße etwa 8 bis 10 Jahre bestehen bleiben, da
die Alttiere ja immer wieder ihrem ursprünglichen Laichplatz
zustreben.