Bewegung, wohin
man auch schaut! Bei der enormen Fülle von Organismen folgt Bewegung
auf Bewegung, unterschiedlich in Form, Ablauf, Intensität,
Geschwindigkeit. Durch sie werden Tümpel, Teiche, Weiher eigentlich
erst zu Orten sprudelnden, pulsierenden Lebens. Diese
Grundeigenschaft der lebenden Materie tritt uns in der Bewegung des
ganzen Organismus oder seiner Organe, gleichermaßen aber auch bei
der mikroskopischen Betrachtung von Lebendmaterials entgegen. Denken
wir an die Bewegung des Zytoplasmas in den Zellen, z.B. an die
Zirkulations- und Rotationsströmungen in pflanzlichen Zellen, die
gut zu beobachtende Plasmaströumungen bei Amöben oder die
Zytoplasmaströmungen im Axon einer Nervenzelle.
Im Pflanzenreich
laufen die Bewegungserscheinungen in der Regel langsamer und daher
weniger auffällig als bei Tieren ab. Allein jedes Wachstum bedingt
automatisch entsprechende Bewegungen der sich ausbildenden und
entfaltenden Organe. Intensitätsschwankungen des Lichtes können zum
Öffnen und Schließen von Blüten führen (Photonastie).
In dieser Weise reagieren die Seerosen (Nymphea), aber auch die
Blüten vieler Korbblütengewächse (Asteraceae oder Compasitae). Die
Dynamik des Fangmechanismus der fleischfressenden Pflanzen erinnert
sehr an Bewegungsabläufe von Tieren. Schließlich sind viele niedere
Pflanzen und die Keimzellen mancher Pflanzenarten wie die Tiere zur
freien Ortsbewegung fähig.
Ich möchte hier
aber ausschließlich die Bewegung von Tieren, und zwar zielgerichtet
im Sinne der Fortbewegung, betrachten. Die Mannigfaltigkeit der
Bewegungsabläufe, Fortbewegungsformen wie schwimmen,
schweben, tauchen, kriechen, laufen, fliegen, gestattet es, nur
einige Impressionen zu ermitteln.
Stellen wir uns
mal vor, welche Leistung der Eisvogel (Alcedo atthis)
vollbringt, wenn er sich plötzlich von einem überhängenden Ast
oder einem Pfahl aus ins Wasser stürzt und mit verblüffender
Sicherheit – nach Filmaufnahmen eines Ornithologen macht der
Eisvogel das mit geschlossenen Augen – einen Fisch packt, um dann
unmittelbar darauf mit der zappelnden Beute im Schnabel aus dem
Wasser fliegt. Scheinbar spielerisch leicht wird der Übergang
zwischen den Medien Luft und Wasser vollzogen. Dabei ist Wasser etwa
773 mal dichter als Luft! Zweifellos eine enorme Barriere, die hier
der sperlingsgroße, leicht gebaute Eisvogel mittels des
„Stoßtauchens“ überwindet. Zeitrafferaufnahmen zeigen, welche
günstig aerodynamische Form der Vogel bei seinem Sturzflug einnimmt.
Bislang verfügte der Mensch über keine Apparate, der es dem
Eisvogel gleichtun könnte. So gibt es weder ein abgewandeltes
U-Boot, das von der Unterwasserfahrt aus ohne Halt direkt in die
Lüfte fliegen kann, noch einen Flugkörper, der in der Lage wäre,
sich auch unter Wasser beliebig fortzubewegen. Den in diesem Rahmen
integrierten Vorgang des Fischfangs habe wir hierbei nicht einmal
berücksichtigt.
Auf ganz andere
Art und Weise tauchen Tauchenten und die von den Enten durch ihren
zugespitzten Schnabel und die seitlich an den Zehen ausgebildeten
Schwimmlappen leicht zu unterscheidenden Lappentaucher
(Podicipediadae). Tauchenten wie Tafel- (Aythya ferina),
Reiher- (Aythya fuligula) und Moorente (Aythya nyroca) liegen im
Vergleich zu den Schwimmenten (Stockente u.a.) tiefer im Wasser.
Gleiches gilt auch für andere ausgesprochen gute Tauchvögel. Die
sonst in Anpassung an das Fliegen recht leichten Knochen sind bei den
Tauchenten schwerer, d.h. weniger mit Luft gefüllt (pneumatisiert),
als bei Schwimmenten. Noch weitaus besser haben sich die Taucherenten
auf das Wasserleben eingestellt. Ihre Skelettknochen enthalten
überhaupt keine Lufthöhlen mehr. Gegen den Auftrieb im Wasser wirkt
auch die Verringerung des im Federkleid vorhandenen Luftgehaltes.
Betrachtet man
einmal den Zwergtaucher. Sein pelzartiges Gefieder liegt dem
Körper eng an. Dadurch wird aus dem Federkleid viel Luft entfernt
und der Vogel schwerer. Ausserdem fällt auf, dass sein Körper eine
strömungstechnisch vorteilhafte, torpedoartige Form besitzt. Vom
Schwanz sind nur noch einige kleine Deckfedern übriggeblieben. Vor
dem Tauchen behalten die Vögel ihre Ausatmungsstellung bei und
erhöhen über dieses Ventil weiterhin ihr spezifisches Gewicht. Mit
kräftigen, schnellen, an die Fortbewegungsart von Fröschen
(Grätschen der Hinterenextremitäten) erinnernden Schwimmstößen
beider Beine suchen sie dann unter Wasser nach Nahrung.
Während der
Zwergtaucher wohl selten tiefer als einen Meter taucht, dürften
Haubentaucher (Podiceps cristatus) in Seen eine Tauchtiefe von
20 bis 30 m erreichen. Die Tauchdauer wird allgemein überschätzt
und nimmt wahrscheinlich kaum länger als 90 Sekunden in Anspruch.
Bei der vielerorts häufigsten Tauchente, der Tafelente, beträgt sie
etwa 25 Sekunden, die Tauchtiefe liegt in der Regel bei 1 bis 2
Metern.
Es würde an
Münchhausen erinnern, wollte sich jemand unter Wasser mit Hilfe
einer aus dünnen Gummi bestehenden pulsierenden Glocke fortbewegung.
Diese auf dem Rückstoßprinzip beruhende Lokomotion haben
Wassertiere wirklich! Uns ist das Prinzip des Raketenantriebs schon
von den Großlibellenlarven her bekannt, die sich durch Ausstoß des
Atemwassers aus dem Enddarm – besonders wenn sie aufgeschreckt
werden – derart vorwärts bewegen können. Hier geht es aber um
Quallen (Medusen) , deren ganzer Habitus einer Glocke gleicht.
Bei ihnen ist der Rückstoß die einzige Art der aktiven
Fortbewegung. In Mitteleuropa kommt im Süßwasser nur eine Art
(Craspedacusta sowerbyi) vor. Die 1880 im Victoria-Haus des Londoner
Regent´s Park entdeckte und vom englischen Zoologen E.R. Lancester
beschriebene Qualle-Meduse fällt mit einer Große von 0,6 bis 30 mm
nicht so schnell auf, wie ihre zahlreichen marinen Verwandten. Von
der Mitte der Schirmunterseite (Subumbrella) hängt gleich dem
Klöppel einer Glocke das vierkantige Mundrohr herab. Wenn die in der
unteren Schirmwand liegenden Ringmuskeln und das Velum (eine
muskelhaltige Duplikatur am Schirmrand) die Glocke schlagartig
kontrahieren, wird der Gallertschirm weiter empor gewölbt, die
Schirmhöhle verengt und das Wasser herausgestoßen.
Durch den Rückstoß
schwimmt das Tier mit der gewölbten Oberseite (Exumbrella) voran. Im
rhythmischen Bewegungsablauf erschlaffen die Muskeln wieder, der
Schirm weitet sich und es strömt erneut Wasser in die Schirmhöhle
ein. Nach einigen Glockenpulsationen wird immer ein kurze Pause
eingelegt. In diesem Zeitraum lassen die wie ein Fallschirm wirkende
Glockenform und das niedrige spezifische Gewicht (hoher
Gallertanteil!) die Meduse nur wenig absinken. Durch Änderung der
Schlagfolge kann die Qualle auch etwas langsamer oder
schneller schwimmen. Geschwindigkeitsrekorde brechen die
Medusen-Quallen allerdings nicht. Bedenkt man aber, dass der
Wassergehalt ihres Körpers etwa 96 bis 97% beträgt und nur ein Teil
der Eiweißstrukturen Muskelzellen sind, dann wird deutlich, mit
welchem geringen Aufwand die Tiere eine doch beachtliche Leistung
vollbringen.
Leider steht
dieser Gesichtspunkt zu selten im Vordergrund entsprechender
Überlegungen. In erster Linie finden hohe Geschwindigkeite in
Beachtung. Die Spitzengeschwindigkeit des Hechts (Esox lucius) im
Karpfenteich mit 25 km/h, vor allem solche verblüffenden Leistungen
der Insekten wie die Flugrekorde von Großlibellen (Aeschna, Anax)
mit 25 bis 30 m/s oder Flügelschlagfrequenzen von etwa 200 Hz
(Bienen) und 500 bis 600 Hz (Stechmücken, 1 Hz = 1 Schwingung
pro Sekunde) beeindrucken immer wieder.
Die an Artenzahl
(über 700.000 Arten) und Formfülle von keiner andern Tiergruppe
übertroffenen Insekten begegnen uns in einer Vielzahl von
Fortbewegungsvariaten. Im Rahmen der vielleicht am meisten
auffallenden Flugleistungen können auch ganz erstaunliche
„Steuermanöver“ durchgeführt werden. So sind die auf den Blüten
am Gewässerufer häufigen Schwebfliegen (Syrphidae) in der Lage,
regelrecht in der Luft stehen zu bleiben, und sie vermögen sogar
seitwärts zu fliegen.
Spitzenkönner des
Fluges sind die Libellen. Im Zickzackflug jagen sie über den
Weiher, bleiben plötzlich wie festgenagelt (rüttelnd) auf einer
Stelle stehen, um dann unvermittelt davonzuschießen. Sie können
blitzschnell wenden, vor-, seit- und rückwärts fliegen.
Großlibellen sind imstande, ihre beiden Flügelpaare unabhängig
voneinander zu bewegen, da bei ihnen – im Gegensatz zur Mehrzahl
der Insekten – die Flugmuskeln direkt an der Flügelbasis und nicht
an der Rücken- und Bauchplatte der Brust (Thorax) angreifen.