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Tümpel und Teiche - Austrocknung, Wieder- und Neubesiedlung

Die für periodische Gewässer typischen extremen Lebensbedienungen erfordern eine Anpassung an diese Verhältnisse. Wichtigste Charakteristikum dieser durch abiotische und biotische Umwelteinflüsse in großer Mannigfaltigkeit existierenden Biotope ist ihr periodisches Austrocknen und Durchfrieren. In Tümpeln fehlen daher viele Arten, die sonst in perennierenden Gewässern vorkommen. 
durchgefrorender Tümpel schöne winterliche Bilder


Durch den regelmäßigen Wechsel von Flutung und Trockenlegung kommt es bei ablassbaren, fischereiwirtschaftlich genutzten Teiche, z.B. Steck- und Abwachsteichen, die im Winter meist kein Wasser führen, in der Hinsicht zu einer ähnlichen Situation. Darüber hinaus aber hier, hauptsächlich durch teichwirtschaftliche Maßnahmen wie Bearbeiten des Teichbodens, Kalken, Düngen, Fischbesatz, Füttern usw. andere und von Teich zu Teich unterschiedliche Verhältnisse vor.
Mann angelt an Teich einen Fisch


Auffälliste und bemerkenswerteste Tümpelbewohner sind ohne Zweifel die niederen Krebse der Gattung Brachipus, Siphonophanes, Lepidurus und Triops. Nach dem Austrocknen des Tümpels können ihre hartschaligen Eier jahrelang im Schlamm überdauern. Aus ostafrikanischen Schlammproben schlüpften sogar noch nach 14jährigem Trockenliegen Naupilien. Untersuchungen zur Temperaturresistenz ergaben, dass die Eier des Regentümpeln bei Karthoum (Sudan) lebenden Triops granarius eine Stunde lang 84 Grad Celsius unbeschadet überstanden.
 Triops granarius Urzeittier in heimischen Gewässern


Während alle Arten der angeführten Gattungen im mitteleuropäischen Raum nur periodische Gewässer bewohnen, lebt der vor allem nahe dem nördlichen Polarkreis verbreitete Lepidurus arcticus auch in Seen. Seine Eier sind daher weder Austrockung noch Frost ausgesetzt. Aus dieser Tatsache sowie äquivaltenten Aquarienversuchen geht deutlich hervor, dass sich die lange Zeit vertretene Ansicht, die Eier der Anostraca und Notostraca müssten zur Weiterentwicklung unbedingt austrocknen und durch frieren, nicht aufrechterhalten lässt.
Frost - schöne winterliche Landschaft


Sind die Senken wieder mit Wasser gefüllt, dann dauert es nicht lange, und die Nauplien schlüpfen. Unter günstigen Bedingungen können die Nauplien sich bei Branchipus bereits nach 8, bei Triops etwa nach 14 Tagen bis zum fortpflanzungsfähigen Tier entwickeln.
Nauplien - Kleine Lebewesen in Tümpeln und Teichen


Ihr plötzliches und ausserdem meist massenhaftes Auftreten gab früher Anlass zu abenteuerlichsten Vermutungen. So boten im August des Jahres1821 Marktfrauen in Wien 4 bis 5 cm große Tiere von absonderlicher, noch nie gesehener Gestalt an, die mit einem ungewöhnlich schweren Regen vom Himmel gefallen sein sollten. Sie waren in riesigen Mengen in den Regentümpeln enthalten. Wie aus einem „belehrenden“ Beitrag des damaligen Kustos am Naturalienkabinett hervorgeht, wurde dieser „Krebsregen“ durch Triops cancriformis verursacht.
Triops cancriformis - Urzeitkrebs in heimischen Teichen


In den zur Regenzeit entstehenden Tümpeln der australischen Trockengebiete entwickelt sich kurzzeitig eine Generation von Triops australiensis nach der anderen. Das Massenangebot der Krebse zieht einen große Zahl von Weißwangen- (Ardea novaehollandiae), Silberreihern (Casmerodius albus), Schwarznackenkiebitzen (Lobibyx novaehollandiae) und andere Vogelarten an, denen wiederum Greifvögel folgen, so dass schließlich an den Tümpeln ganz spezielle Tiergemeinschaften leben, die sich mit dem Austrocknen dieser temporären Gewässer wieder auflösen.
Silberreiher - schöne Vogelarten


Gelegentlich treten Kiefenfüße auch in periodisch bespannten Teichen auf, wo sie durch ihre starke Vermehrung für die Fischbrut zu einer beachtlichen Nahrungskonkurrenz werden können. Eine Solche Situation verursachte Triops cancrifromis in mehreren Teichen der Binnenfischerei. In zwei Teichen waren hier die Krebsdichte auf 133 und 266 Stück/m² angestiegen.
Teich schöne Natur pur Bilder


Sicher werden sich viele fragen, warum habe ich diese Tiere noch nie bei „Tümpeln“ gefunden? Man kann sie doch eigentlich kaum übersehen. Dies ist zweifellos richtig. Obwohl die Krebse am jeweiligen Fundort gewöhnlich in großer Zahl auftreten, sind sie dennoch in Mitteleuropa nur sporadisch verbreitet. Daher haben selbst viele Zoologen noch keinen lebenden Triops oder Branchipus zu Gesicht bekommen.
Branchipus - kleine Lebewesen in heimischen Teiche und Tümpeln


Wasserflöhe, viele Hüpferlinge und Rädertiere überstehen die Austrocknungsperioden durch Bildung verwiegend dickschaliger Dauereier. Sie erhalten bei den meisten Wasserflöhen durch sattelförmige Schalenteile, sogenannte Ephippien, einen zusätzlichen Schutz. Mitunter kann auch die gesamte leere Rumpfschale (Carapaxexuvie) als Eiumhüllung dienen. Ihre Perfektion erreichen die Epippien bei den Daphniiden, die in Tümpeln vor allem durch Daphmia pulex, Daphnia magna sowie Moina-Arten (z.B. Moina brachiata, Moina macrocopa) vertreten sind.
Austrocknungsperiode von Teichen und Tümpeln


Eine ganze Anzahl Rädertiere, Fadenwürmer, Muschelkrebse, Bärtierchen (Tardigrada) und einige in tropischen Regentümpeln lebende Zuckmückenlarven können fast völlig austrocknen und im trockenstarren Zustand wie „scheintot“ ohne Schaden Monate, ja sogar Jahre überdauern. Dabei vermögen sie extreme Temperaturen zu ertragen, ihre Stoffwechselvorgänge laufen unterdessen auf äußerster Sparflamme.
Bärtierchen


Bärtierchen, die man in Tümpeln hin und wieder an Algenfäden findet, bilden durch Wasserabgabe und Kontraktion sofort eiförmige, unbewegliche „Tönnchen“. Der Sauerstoffverbrauch eines solchen Tönnchenstadiums entspricht z.B. bei Macrobiotus bufelandii im Vergleich zum aktiven Tier einem Verhältnis von 1:6000. Tönnchen dieser Gattung bleiben bei 15 Grad Celsius etwa 6 Jahre lebensfähig und ertragen nach Temperaturversuchen plus 60 Grad Celsius 10 Stunden und minus 272 Grad Celsius (in flüssigem Helium) über 8 Stunden ohne Schaden. 
Tümpel im Wald - Naturbilder


Die Larven der afrikanischen Zuckmückenart Polypedilum vanderplanki können etw 18 Monate in Trockenstarre liegen und dabei allen auftretenden extremen Temperaturschwankungen standhalten. Ihre Biotope sind kleine, nur zur Regenzeit gefüllte Felstümpel, die während der Trockenperiode keinerlei Schutz bieten und den Bewohnern beste Anpassungen abverlangen. 
Regenzeit - Unwetterbilder mit Blitzen


Ein Überdauern in tieferen, feuchten Schichten des Tümpelbodens, wie wir es von den anderen Tümpelformen her kenne, scheidet in einem Felstümpel wegen des felsigen Untergrundes und der fehlenden oder nur dünnen Bodenschicht aus.
Felstümpel - schöne Naturbilder im Winter


Weiter in den schlammigen Gewässerboden zurückgezogen können einige Strudelwürmer und Ruderfüßer in einer schützenden Schleimhülle die Austrocknung überstehen. Im Bodenschlamm wurden auch die Larven der Gefleckten Smaragdlibelle (Somatochlora flavomaculata) und des Plattbauches (Libellula depressa), gelegentlich Käfer (z.B. der Schwimmkäfer Agabus bispustulatus) und Weichtiere (Erbsenmuscheln, Schlammschnecken u.a.) gefunden.
Smaragdlibelle - schöne Insektenbilder


Schließlich ist das Phänomen der Zystenbildung bei pflanzlichen und tierischen Einzellen bekannt. Schlammproben liefern eine Fülle dieser kapselartigen, allseitig geschlossenen Hüllen, in denen die Organismen Monate und auch Jahrelang der Trockenheit widerstehen können.
Trockenheit - Landschaftsbilder Dürre


Wie ein Blick auf trockenliegende Tümpel verrät, fällt dennoch jährlich eine Unmenge von Tieren der Austrocknung zum Opfer. In besonders trockenen Jahren steigt ihr Quote schnell an. Zwischen eingetrockneten Algenwatten, die oft Steine, herabgefallene Äste und die diversen ausrangierten Erzeugnisse unserer Zivilisation mit einem gelbgrün Gewand überziehen, liegen leere Schneckengehäuse, weit klaffende Schalen von Erbsenmuscheln und tote Insektenlarven. Häufig konzentrieren sich die Überreste der Mücken-, und Köcherfliegenlarven und anderen Wassertiere an Stellen des Gewässerbodens, wo das Wasser am längsten stand. In den Flußniederungen entdeckt man auf dem Boden der Überschwemmungstümpel hin und wieder von der Sonne ausgetrocknete Fische.
Flußniederungen - schöne Landschaftsfotos


Wenn Tümpel und Teiche wieder gefüllt sind, erwachen die im und auf dem Gewässerboden überdauernden Organismen zu neuer Aktivität. Fischteiche erhalten bei der neuerlichen Bewässerung über das Zuflusswasser weiteren Zustrom von Tier- und Pflanzenarten. Darüber hinaus erfolgt die Wiederbesiedlung durch aktive und passive Ausbreitung einer Vielzahl von Organismen auf dem Landweg und durch die Luft. In gleicher Weise werden erstaunlich schnell neu entstandene Gewässer, wie Garten-, Parkteiche, Sand-, Kiesgruben-, Steinbruchtümpel und andere sekundäre Feuchtbiotope, besiedelt.
Feuchtbiotop - Wasser tote Bäume Wald


Aktiv über Land wandern vor allem Amphibien zu. Bei günstiger Witterung verlassen die ersten Teichmolche (Triturus vulgaris) schon Ende Februar ihre Winterquartiere und suchen die Laichgewässer auf. Kommt es zu plötzlichen Kälteeinbrüchen, dann können sie diese zeitweilig wieder verlassen. In den auf „ausgefahrenen“ Waldwegen häufig anzutreffenden Tümpel, die durch die breiten Räder der schweren LKWs der Forstwirtschaft im lehmigen und tonigen Boden entstanden sind., laichen bespielsweise mancherorts Teich- (Triturus vulgaris), Berg (Triturus alpestris), Fadenmolche (Triturus helveticus), Erdkröten (Bufo bufo), hin und wieder auch Kreuzkröten (Bufo calamita). Gelegentlich wurden hier Geburtshelferkröten (Alytes obstetricans), Grasfrösche (Rana temporaria) und sogar Gelbbauchunken (Bombina variegata) gefunden. Nach einer Erfassung des Amphibienbestandes im südwestfälischen Bergland entfiel mehr als ein Drittel der ermittelten Laichplätze auf diese Biotope.
Erdkröte - schöne Bilder Amphibien


Das eindrucksvollste Beispiel unter den zuwandernden Säugern ist wohl die Bisamratte (Ondatra zibethica), deren rasche Ausbreitung über den europäischen Kontinent seit ihrer Aussetzung in Böhmen 81905 südlich von Prag) und an weitern Orten Europas tiergeographisch nur wenige Parallelen findet.
 Bisamratte im Wasser Tierbilder


Wichtigste Ausgangsbasis für die Wieder- und Neubesiedlung sind die Gewässer der näheren und weiteren Umgebung. Von ihnen fliegen Wasserwanzen, -käfer und weitere Wasserinsekten zu. Daneben werden flugfähige Insekten ähnlich wie die verschiedensten Dauerstadien durch Luftströmungen passiv über zum Teil beträchtliche Entfernungen hinweg verbreitet. So häufen sich mitunter auf alpinen Schneefeldern und Gletschern zahllose angewehte Insekten. Damit dürfte zugleich die Frage nach der Herkunft der oft relativ reichen Insektenwelt auffliegender Bergseen beantwortet sein. 
Schneefelder und Gletscher - Foto von schneebedeckten Bergen


Besonders instruktiv ist auch ein Blick auf die Zusammensetzung der in verschiedener Höhe durchgeführten Flugzeug-Netzfänge („Aeroplankton“ -Erfassung). So enthielten Fänge in Nordamerika eine Vielzahl Wasserinsekten, überwiegend Zuckmücken, ausserdem Gnitzen (Ceratopogonidae), Stechmücken (Culicidae), Wassertreter (Halipidae), Schwimmkäfer (Dytiscidae), Eintagsfliegen, Libellen sowie Vertreter anderer Gruppen. Weitaus bedeutungsvoller als gewöhnlich dargestellt, dürfte wohl die passive Verbreitung von Wasserorganismen durch tiere, hauptsächlich Wasserinsekten und Vögel, mit Abstrichen auch durch Amphibien sein. Bei Waldtümpeln in der Nähe von Bonn wurden die meisten Dauerformen wahrscheinlich durch Wasserinsekten und Amphibien übtertragen. Aufgrund ihrer geschützten Lage spielt hier die Verdriftung durch den Wind, wie die Auswertung der zur Ermittlung des „Anfluges“ aufgestellten Kulturlösungen ergab, nur eine geringe Rolle. Im offenen, windexponierten Gelände ergeben sich natürlich andere Relationen.
Wasserinsekt läuft über Wasserfläche


Viele Wassermilbenarten parasitieren als Larven an fliegenden Insekten, Arrenurus-Arten, z.B.vorwiegend an Libellen und Mücken, durch die sie von einem Gewässer zum anderen verschleppt werden. Wasserwanzen und Wasserkäfer verbreiten, abgesehen von Ephippien und anderen Dauerformen, über kurze Strecken sicher auch einen Teil ihrer seßhaften Aufsiedler (Ziliaten, Rädertiere usw.) unbeschadet weiter. Gelegentlich transportieren sie sogar größere Brocken, wie der Fund einer an einem Gelbrand (Dytiscus marginalis) festgehefteten Kugelmuschel beweist.
Gelbrand heimischer Wasserkäfer


Bereits Charles Darwin deutet in seinem Werk „On the Origin of Species by means of Natural Selection, or the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life“ (1859) daraufhin, dass an Enten, die aus einem mit Wasserlinsen bedeckten Teich auffliegen, häufig einige der kleinen Schwimmpflanzen hängenbleiben. Eine Beobachtung, die wohl viele schon einmal am Dorfteich oder Wiesengraben gemacht haben. Förderlich für diese Verbreitungsart wirkt dabei der Umstand, dass die „Entengrütze“, wie der Volksmund die Wasserlinsen nennt, für Enten und andere Wasservögel eine beliebte Nahrung bildet. Schwimmfrüchte und sogar kleine Sproßstücke können in gleicher Weise von Enten auf die verschiedensten Gewässer übertragen werden.
Enten sitzen auf Teich


Charles Darwin war es auch, der zuerst die Verschleppung von pflanzlichen und tierischen Organismen in dem an Füßen und Federn haftenden Gewässerschlamm erkannte und nachwies. In der Folgezeit wurde dann eine ganze Reihe interessanter Beobachtungen und Untersuchungen zu dieser Problematik publiziert. Ein recht bekanntes Experiment von Charles Darwin sei noch erwähnt. Zur Klärung der Frage, ob Vögel junge Schnecken verschleppen können, hängte Darwin einen Entenfuß in ein mit frisch geschlüpften Süßwasserschnecken besetztes Aquarium. Die Schnecken setzten sich bald am Fuß fest und lebten daran in feuchter Luft 12 bis 20 Stunden. Eine Zeitspanne, die einen beachtlichen Verbreitungsradius ermöglicht. Denkt man daran das z.B. Stockenten auf dem Flug täglich Entfernungen von fast 500 km zurücklegen können.
Charles Darwin Naturforscher


Nicht weniger bedeutsam ist die passive Verbreitung über den Verdauungstrakt. Dabei entfällt zwar die Gefahr der Austrocknung, bei Laichkrautsamen wurde sogar eine keimfördernde Wirkung festgestellt, andererseits kommt es aber zu einer mechanischen (Muskelmagen), chemischen und thermischen Einwirkung auf die passierenden Formen. Amerikanische Untersuchungen bestätigen die erfolgreiche Darmpassage für eine repräsentative Auswahl von Süßwasseralgen bei verschiedneen Enten-, Rallen- und Limikolenarten. Hinsichtlich der Verweildauer im Magen-Darmtrakt gibt z.B. Atkinson bei der Stockente für Schwebesternchen (Asterionella formosa), Kamm- (Fragilaria crotonensis), Faden- (Melosira) und Moorkieselalgen (Tabellaria flocculosa) eine Zeit von 1 bis 22 Stunden an. 
Schwebesternchen


Über den Darmdurchgang tierischer Mikroorganismen und Dauerstadien existieren dagegen nur wenige experimentelle Untersuchungen. Sie zeigen vor allem, dass Ephippien bzw. Dauereier von Kleinkrebsen nach ihrer Abgabe über den Kot weiter lebensfähig sind. Wie aus Versuchen von A. Löffler hervorgeht, kann die Verlustrate hierbei ganz enorm sein. So wurden von einem Stockentenerpel nur 25% der gefütterten Cypris-Eier, 10% der Triops-Eier und mitunter 1% der Daphnia-Ephippien unversehrt wieder ausgestoßen.
Stockentenerpel - schöne Tierbilder