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Wassertiere im Winter – Überwinterung von Insekten, Libellen und Fröschen

Wer kennt nicht den Reiz und Zauber einer Wanderung durch die winterliche Landschaft. Losgelöst vom Lärm des Alltags wirkt hier die Ruhe besonders erholsam. Nur selten wird sei einmal von Vogelstimmen, sei es vom Ruf der Krähe oder von dem im Weidengebüsch am Teichufer ungeachtet der Kälte singenden Zaunkönig („Schneekönig“, Troglodytes troglodytes) unterbrochen. Die Gewässer, sonst Konzentrationspunkte reichhaltigen, vielfältigen Lebens, mannigfaltig optisch und akustisch in Erscheinung tretend, sind von einer Eis- und Schneedecke überzogen und somit ganz der Farbmonotonie des winterlichen Landschaftsbildes angepasst.
winterliche Landschaftsbilder

Wie überwintern die zahllosen Wassertiere? Die meisten Vögel sind nach dem Süden gezogen, eine Binsenweisheit. Was tun aber z.B. die Kleinlebewesen, Schwämme, die verschiedensten Wasserinsekten und Amphibien?
Wassertiere Insekten auf dem Wasser

Vor beginn der kalten Jahreszeit suchen viele Schwimmwanzen, Rückenschwimmer, Ruderwanzen, Schwimm-, Wasserkäfer und andere flugfähige Wasserinsekten Pflanzenreiche Teiche und Weiher auf, in denen auch im Winter günstige Sauerstoffverhältnisse gegeben sind. Solange noch Licht durch die Eisdecke dringt, läuft die Kohlensäureassimilation der Unterwasserpflanzen weiter. Atemluft ist daher keine Mangelware. Als Tankstellen dienen die zahlreichen sich unter der Eisdecke ansammelnden Sauerstoffblasen. In strengen Wintern können sich die Verhältnisse durch den langfristigen Abschluss von der atmosphärischen Luft jedoch derart verschlechtern, dass es zu hohen Verlusten unter den hier überwinternden Insekten und übrigen Wassertieren kommt. Trotz einer solchen Extremsituation treten aber nicht in allen Gewässern derart ungünstige Lebensbedienungen auf. So sind Teiche mit ständigem Wasserdurchfluss in dieser Hinsicht weniger gefährdet.
Pflanzenreiche Teiche - schöne Natur Bilder

Interessanterweise überwintern hin und wieder einander nahestehende Arten völlig unterschiedlich. Betrachten man unter diesem Aspekt nur einmal die zu den bekanntesten und verbreitetsten Insekten stehender Gewässer zählenden Rückenschwimmer. Obwohl die einzelnen Arten der Gattung Notonecta in Ihrer Lebensweise weitgehend übereinstimmen, liegen doch hinsichtlich der Eiablagezeit und weiteren Entwicklung unterschiedliche Verhältnisse vor, die sich dann zwangsläufig auch bei der Überwinterungsweise widerspiegeln. Die häufigste Art, der Gemeine Rückenschwimmer (Notonecta glauca), ebenso Notonecta obliqua und Notonecta viridis überwintern als Vollinsekten (Imago), Notonecta maculata als Imago und Ei, Notonecta lutea schließlich nur im Eistadium in Stengeln von Wasserpflanzen.
Rückenschwimmer - Kleine Wasserinsekten

Mücken der Gattung Aides legen ihre Eier im Gegensatz zu anderen Stechmückengattungen (z.B. Culex, Anopheles) stets außerhalb des Wassers ab. Da sich Stechmücken aber nur im Wasser entwickeln können, suche die Weibchen mit erstaunlicher Sicherheit solche Stellen zur Eiablage auf, die später Wasser führen. Im Auwald sind es beispielsweise trocken liegende Tümpel und Gräben. Hier liegen dann die widerstandsfähigen Eier zwischen Laub oder im Gras den ganzen Herbst und Winter über, bis die Senken wieder Wasser führen. Sobald die zum Schlüpfen erforderliche Mindesttemperatur erreicht ist, tritt kurz danach in den Waldtümpeln die junge Mückenbrut auf.
Auwald, Natur, Wald und Sonnen Frühlingsbilder

Außerhalb des Wassers und im Eistadium überwintern auch die Binsenjungfern (Lestes-Arten), jene kleinen, metallisch grünen oder kupferfarbenen Libellen, die im Hochsommer überall an den Teichen vorkommen. Ihre länglich-ovalen Eier überdauern die kalte Jahreszeit in den „Eilogen“ in Binsen, Seggen sowie anderen Wasser- und Sumpfpflanzen. Die Weibchen der Großen Binsenjungfer (Lestes viridis) bohren sie, im Gegensatz zu den übrigen Lestes-Arten, fast immer in die Zweige am Ufer stehender Sträucher und Bäume, vor allem von Weiden und Erlen, ein. Eigelege dieser Art überstanden im extrem kalten Winter 1928/29 sogar Kältegrade von minus 32 Grad Celsius ohne Schaden.
Große Binsenjungfer - schöne Libellen in Deutschland

Von den heimischen Libellenarten überwintern lediglich zwei, die Gemeine Winterlibelle (Sympecma fusca) und Sibirische Winterlibelle (Sympecma fusca), als Vollinsekten im Zustand der Kältestarre irgendwo im Freien an einem geschützten Ort. Die anderen Formen sind spätestens den ersten Nachtfrösten zum Opfer gefallen. Unser Wissen über die Art und Weise der Überwinterung beider Libellenarten, die wie die Binsenjungfern zur Familie der Teichjungfern (Lestidae) zählen, ist zweifellos unzureichend und geht hauptsächlich auf Beobachtungen in Gefangenschaft gehaltener Libellen zurück. Diese überwintern nicht in dem zum Verkriechen angebotenen Bodensubstraten aus Gras, Moos, Rindenstücken und Laub, sondern frei im Geäst hängend. Körper und Zweig bilden dabei einen Winkel von ungefähr 30 Grad. Sie ertrugen im Versuch bis 17 Grad Celsius.
Gemeine Winterlibelle - schöne Bilder von Libellen

Die meisten Libellenarten überwintern aber im Larvenstadium auf dem Gewässerboden. Hier finden sich auch Larven von Eintagsfliegen, verschiedenen Wasserkäfern, Köcherfliegen, „Wasserschmetterlingen“, Zuckmücken und anderen Wasserinsekten. Egel, viele Schlamm- und Sumpfdeckelschnecken haben sich im Schlamm eingegraben.
Wasserschmetterling schöne Bilder Natur - Schmetterling auf Blume

Es wäre allerdings ein Trugschluss anzunehmen, dass sich alle Wasserorganismen in einem weitgehend Ruhe- oder lethargischen Zustand befinden würden. Zwischen den die Pflanzenreste überziehenden Kieselalgenrasen leben riesige Mengen von Einzellern. Neben Tausenden von Wurzelfüßern (Rhizopoda), vor allem durch Schlenamöben (Testacea), außerdem Gehäuselose Nacktamöben (Amoebina) und Sonnentierchen (Heliozoa) vertreten, sind reichlich Wimperntierchen anzutreffen. Das nährstoffreiche Milieu bietet Pantoffel- Pramecium), Waffentierchen (Stylonychia), den massenhaft auf faulenden Blättern vorkommenden Sumpfwürmern (Spirostomum), farbenprächtigen Juwelentierchen (Nassula ornata), deren Nahrungsvakuolen je nach dem Verdauungsgrad ihres Inhalts blaugrün, orange gelb, gelb, braun oder violett aussehen, sowie anderen Infusorien günstige Lebensbedingungen. Auch manche Ruderfüßer pflanzen sich ungeachtet der winterlichen Verhältnisse fort. Eiertragende Weibchen sind bei Netzfängen durchaus keine Seltenheit.
Juwelentierchen - kleine Wasserlebewesen

Andererseits treten viele Formen bereits seit dem herbst nicht mehr oder nur noch selten auf. Es fehlt die überwiegende Mehrzahl der Wasserflöhe, die wie viele Rädertiere Kälte und Frost im Dauerstadium überstehen. Oft sammeln sich Massen von Daphnien-Ephippien in Ufernähe an. Diese an der Wasseroberfläche treibenden Dauerformen frieren im Eis ein, ohne dass dadurch ihre Lebensfähigkeit beeinträchtige würde. Nach dem Auftauen schlüpfen aus ihnen im Frühjahr die anfangs ovalen, den Elterntieren aber sehr ähnlichen Jungen, die schnell geschlechtsreif werden und durch die enorme Reproduktionsrate bald wieder eine unübersehbare Fülle von Wasserflohformen und -rassen in den Gewässern schaffen.
Kälte und Frost - Natur Landschaftsbilder im Winter

Völlig verschwunden sind Süßwasserschwämme und Moostierchen. Ihre Dauerformen, die sogenannten Gemmulae und Statoblasten, dienen der Erhaltung aller Arten in der Winterperiode und außerdem, wie bei den Ephippien, auch ihrer Verbreitung, Die etwa 0,5mm großen runden Gemmulae werden – gleich den Statoblasten der Moostierchen – in Mitteleuropa im Spätherbst gebildet, bei tropischen Formen vor Beginn der Trockenzeit. Im Inneren der festen und fast immer Skelettnadeln enthaltenden Sponginkapsel liegen undifferenzierte bewegliche Zellen (Archaeozyten), deren Plasma reichlich Reservestoffe enthält. Sie verlassen im Frühjahr durch einen Spalt die gelblich-bräunliche Kapsel und bauen einen neuen Schwammkörper auf.
Gemmulae Süßwasserschwamm in heimischen Gewässern

Mit Anbruch der kalten Jahreszeit kommen besonders am Gewässerrand die linsenförmigen, chitinhaltigen Statoblasten der Moostierchen vor. Unter der Lupe ist ein luftgefüllter Schwimmring zu erkennen, der vielfach Hakenfortsätze trägt. Neben diesen schwimmfähigen Statoblasten („Flottenblasten“) bilden manche Arten noch am Substrat festklebende Dauerstadien („Sessoblasten“) aus.
Statoblasten - kleine Gewässerlebewesen

Wenn die Eisdecke klar und durchsichtig ist, kann man die zwischen den Wasserpflanzen und in Bodennähe stehenden Fische beobachten. Trotz ihrer stark verminderten Stoffwechseltätigkeit und Aktivität nehmen sie selbst bei niedrigsten Temperaturen noch in geringem Maß Nahrung auf. Untersuchungen des Magen-Darmkanals zeigten, dass z.B. ein- und zweisömmrige Karpfen bei 3 bis 4 Grad Celsius verschiedenste Insektenlarven, kleine Krebstiere und verrottete Pflanzen gefressen hatten. Eine nicht gerade alltägliche Nahrung wurde bei der Sektion von Bachforellen (Salmo trutta fario) nachgewiesen, die aus einem kleinen, völlig zugefrorenen Gebirgsteich stammen. Mehrere ältere Forellen hatten ausgewachsenen Grasfrösche verzehr. Durch diese ungewöhnliche Beute war ihr Darmtrakt maximal gedehnt, zum Teil reichten die Hinterextremitäten der Frösche noch in den Rachenraum hinein.
Bachforelle - Süßwasserfisch am Haken von Angler

Die nach Laichperiode an Land und oftmals weitab vom Gewässer lebenden Grasfrösche suchen zur Überwinterung in der Regel wieder das Wasser auf. Außer Teichen, Weiher, Gräben usw. dienen auch wasserreiche Höhlen, Stollen und Brunnenkammern als Winterquartiere. Wie aus Freilandbeobachtungen und Mageninhaltsuntersuchungen hervorgeht, verhalten sich die Frösche während der Winterruhe ebenfalls nicht völlig passiv. Große Ansammlungen überwinternder Grasfrösche, die gelegentlich von Schlittschuhläufern unter dem Spiegeleis der Teiche festgestellt wurden, dürften jedoch der Vergangenheit angehören. Leider wird vielerorts ein erschreckender Rückgang dieser Art verzeichnet. Die Ursachen dafür sind sehr vielschichtig. Neben der Zerstörung geeigneter Lebensräume sie nur an die schädigende Wirkung der in der Landwirtschaft angewandten Biozide erinnert, denen die Frösche vor allem während ihres Landaufenthaltes sowohl direkt als auch über die Nahrungskette zunehmend ausgesetzt sind.
Frösche während Winterruhe, Winterschlaf

Auf dem Gewässerboden, oft im Schlamm eingegraben, überwintern auch die meisten Wasserfrösche, während die Molche, die schon im Laufe des Sommers das Wasser verlassen, in der Regel geeignete Verstecke an Land aufsuchen. So wurden z.B. einzelne Teich- (Triturus vulgaris) und Kammolche (Triturus cristatus) unter der Uferbefestigung von Teichdämmen gefunden. Kleinere Gruppen der Molche überwintern in Erdhöhlen, unter Baumwurzeln, in modernden Baumstümpfen. Als regelrechtes Massenwinterquartier entpuppte sich ein verlassener Bau der Blutroten Raubameise, der 200 Teich- und 60 Kammolche enthielt. Bemerkenswert ist auch ein Jahr für Jahr als Winterquartier dienender, etwa 1,50m breiter und 1m hoher Steinhaufen. Er liegt am Rand einer ehemaligen Sandgrube, die zwei Tümpel aufweist. Bei der Entdeckung dieses Überwinterungsortes wurden dort außer zahlreichen jungen Teichmolchen 15 adulte Exemplare, 10 Rotbauchunken, 2 Knoblauchkröten und 1 Kammmolch gefunden. Alle hatten die Augen geschlossen, waren starr und begannen sich erst, bedingt durch die Störung, träge zu bewegen. Je nach Witterung, Lage und Beschaffenheit des Winterquartieres liegen in der Hinsicht unterschiedliche Verhältnisse vor.
Molche Männchen und Weibchen - Bilder von Amphibien