Fragt man im
Zusammenhang mit dem Gewässerbiotop nach Beispielen für die
Brutpflege, dann wird meist ohne langes Zögern der Dreistachelige
Stichling (Gasterosteus aculeatus) genannt. Wieder einmal stoßen
wird damit auf ein Schulbeispiel und noch dazu eine sprichwörtlich
klassische Fischart, die weit verbreitet, allgemein bekannt und fast
komplikationslos in jedem Aquarium zu halten ist. Über das
interessante Fortpflanzungsverhalten gibt es eine Fülle von
Untersuchungen mit auch zum Teil wichtigen Erkenntnissen für
entsprechende Verhaltensweisen andere Fische.
Auf Grund der
reichen, vielfältigen Tierwelt im und am Gewässer findet man
eine große Mannigfaltigkeit von Brutpflegehandlungen vor. Zählen
doch zur Brutpflege alle Tätigkeiten und Leistungen der Elterntiere,
die nach der Eiablage oder Geburt der Jungen der Nachkommenschaft
zugute kommen.
Denkt man an die
Wasserspinne
(Argytroneta aquatica). Nach der Eiablage hält das Weibchen im
unteren Raum der Eiglocke so lange Wache, bis die Jungen die Glocke
verlassen haben. Eindringlinge werden mit weit geöffneten
Kieferfühlerne (Cheliceren) empfangen und durch wiederholtes
blitzartiges Vor- und Zurückstoßen des Körpers vertrieben.
Außerdem sorgt das Weibchen für die notwendige Sauerstofferneuerung
in der Glocke.
Zum Schutz der
Nachkommen werden auch verschiedentlich Eier und Junge Eier bei
niederen Krebsen Brutsäcke (Kiemenfüßer u.a.) und Bruträume
(Wasserflöhe). Bei den Flußkrebsen (Astacidae) haften die
Eier mittels Schleimfäden an den Schwimmfüßen (Pleopoden) des
Hinterleibs. Dabei bleibt das verkrümmte erste Pleopodenpaar frei,
so dass die erforderliche Beweglichkeit des Hinterleibs, d.h. das
Einschlagen nach vorn, weiterhin gewährleistet ist. Durch die
rhythmische Bewegung der Schwimmbeine wird den Eiern ständig
Frischwasser zugeführt. Die Eizahl schwankt ja nach Alter und Größe
des Weibchen sowie von Art zu Art. Beim Edelkrebs (Astacus astacus)
sind es durchschnittlich 100 bis 200 Eier, aus denen nach rund 26
Wochen (Eiablage im November/Dezember) 9 bis 11 mm lange Krebse
schlüpfen. In der Regel entwickeln sich allerdings nicht mehr als 20
Jungtiere. Sie bleiben bis zur ersten Häutung (8 bis 10 Tage) beim
Muttertier und halten sich dort mit noch ihren Scheren an den
Schwimmfüßen fest. Bei Gefahr suchen sie auch später noch Schutz
beim Muttertier.
Weitaus
fruchtbarer ist der Amerikanische Flußkrebs (Orconectes limosus),
der um 1890 in Deutschland zur Hebung des durch die Krebspest stark
dezimierten Krebsbestandes ausgesetzt wurde und sich hier, später
dann auch in Polen und Frankreich, schnell ausbreitete. Obwohl die
Begattung wie beim Edelkrebs im Oktober/November erfolgt, findet die
Eiablage erst Ende April bis Mitte Mai statt. Aus den 200 bis 400
Eiern schlüpfen bereits nach 5 bis 8 Wochen etwa 100 Larven. Wegen
der verhältnismäßig kurzen „Tragzeit“ sind sie nicht so weit
entwickelt wie die des Edelkrebses und nur 4 mm lang. Ihre
Selbständigkeit erreichen sie erst geraume Zeit nach der zweiten
Häutung.
Ähnliche
Brutpflegehandlungen finden sich auch unter den Wasserkäfern
(Hydrophilidae) bei der Gattung „Spercheus“ und „Helochares“.
Hierher gehören kleine, maximal 6 bis 7 mm lange Käfer, die vor
allem im Uferbereich stehender Gewässer leben. Das Weibchen von
„Spercheus emarginatus“ trägt einen mit etwa 60 Eiern gefüllten,
filzartigen und ziemlich dickwandigen Eibehälter unter dem
Hinterleib mit sich herum. Er wird mit Hilfe des Spinnapparates an
den Schenkelhinterrändern der Hinterbeine festgesponnen. Nachdem die
Eier abgelegt sind, werden außerdem die dornenbesetzten Schienen
(Tibie) in das Gespinst gedrückt. Bis zum Schlüpfen der Larven
bleiben die Hinterbeine in dieser Position.
Der Wasserkäfer
Helochares befestigt den Eibehälter ebenso an der Unterseite des
Hinterleibs. Allerdings beschränkt sich das Gespinnst auf die
Hüftregion (Coax), so dass die Hinterextremitäten voll beweglich
bleiben.
An ähnliche,oft
sogar noch erstaunlichere Fortpflanzungsverhältnisse tropischer
Lurche erinnert die Brutpflege der Geburtshelferkröte (Alytes
obstetricans). Der Name dieser ziemlich unscheinbaren Lurchart
trügt. Wir haben es hier mit keiner Kröte (Bufonidae), sondern
einem Scheibenzüngler (Discoglossidae), einem Verwandten der Unken,
zu tun. Sicherlich gaben ihr gedrungener Körperbau und das
krötenartige Aussehen Anlaß für den im systematischen Sinn
abwegigen Namen. Das Männchen leistet auch keine „Geburtshilfe“,
wie ursprünglich nach den Mitteilungen des Augenarztes und
Naturforschers P. Demours, die er 1741 der französischen Akademie
über die Paarung der „Geburtshelferkröte“ vorlegte, angenommen
wurde. Auf Grund des großen Interesses, das man nun Alytes in der
Folgezeit widmete, kam es Schritt für Schritt zur Klärung seiner
Biologie und damit zwangsläufig zur Berichtigung der oben genannten
Ansicht.
Bei der Paarung,
die wie die nachfolgende Eiablage interessanterweise an
Land stattfindet, wird das Weibchen vom Männchen anfangs in der
Lendenregion, dann am Hals umklammert. Sobald die Laichschnüre aus
der Kloake heraustreten, besamt sie das Männchen und wickelt sich
sich mit Hilfe von Spreiz- und Strampelbewegungen um seine
Hinterbeine, teilweise auch quer über den Hinterrücken. Ein solches
Eipaket besteht meist aus 50 bis 80 dotterreichen Eiern. Junge
Weibchen legen freilich weitaus weniger Eier ab. Eipakete mit über
100 Eiern entstehen dadurch, dass sich das Männchen Gelege von 2 bis
3 Weibchen aufgeladen hat. Während der über Monate ausgedehnten
Paarungszeit laichen die Weibchen übrigens mehrmals ab.
Durch die
aufgebürdete „Last“ wird die Lebensweise des Männchen nicht
beeinträchtigt. Tagsüber bleibt es in Erdlöchern, unter Steinen
oder Baumwurzeln verborgen und geht mit Dämmerungs-beginn auf
Beutefang. Unterdessen entwickeln sich in den Eiern die Embryonen.
Ihre Entwicklungsstufe kann man durch die gelbe gallertige Eihüllen
gut erkennen. Wenn nach 3 bis 6 Wochen der Schlüßfzeitpunkt
gekommen ist, such das Männchen einen Tümpel, Weiher oder Teich
auf, wo die Larven, die betreits keine äußeren Kiemen mehr haben,
ihre Eihülle sprengen und sich nun ebenso wie andere Kaulquappen
weiterentwickeln.
Unauffällig und
gleichsam „hinter verschlossener Tür“ verläuft dagegen die
Brutpflege der Muscheln. Bei allen brutpflegenden Arten
entwickeln sich die Eier in den Kiemen, die somit als Atmungsorgane,
zum Nahrungserwerb und nun ausserdem noch als Brutraum dienen. Sehen
wir uns am besten dazu die Fortpflanzungsverhältnisse bei den
Flußmuscheln (Unionidae) an, zu denen die Maler- (Unio pictorum) und
Teichmuscheln (Anodonta cygnea) gehören.
Das Sperma wird in
großen Mengen einfach ins Wasser ausgestoßen und dann vom Weibchen
mit dem Atemwasserstrom zu den äußeren Kiemen geleitet. Dort
erfolgt die Befruchtung der in die Kiemen übergetretenen Eier. Bei
größeren Muscheln sind zwischen den Lamellen der
Kiemenblätter in besonderen Bruttaschen 300.000 bis 400.000 Eier
eingelagert. Aus ihnen entwickeln sich sehr kleine Larven, sogenannte
Glochidien. Sie besitzen eine herzförmige, zweiklappige Schale, die
durch einen kräftigen Schließmuskel geöffnet und geschlossen wird.
Am ventralen Schalenrand fällt beidseitig ein beweglicher, mit
Widerhaken versehener Dorn auf, der in gleicher Weise wie ein aus dem
Schaleninneren herausragender dünner Haftfaden eine wichtige
Funktion nach dem Ausstoßen der Glochidien durch das Muttertier zu
erfüllen hat. In Mitteleuropa dauert die Brutpflegezeit bei der
Gattung Unio (Flußmuscheln) etwa von März bis Juli, bei Anodonta
(Teichmuscheln) jedoch weitaus länger, von August bis zum April des
nächsten Jahres.
Die
Weiterentwicklung der Larven verläuft über ein zeitweiliges
parasitisches
Stadium, wobei Fische als Wirtstiere dienen. Während die
Glochidien von Unio, in kleinen Schleimklumpen ausgestoßen, vom
Fisch mit dem Mund aufgenommen werden und sich in den Kiemen
festsetzen, sinken die in langen Schleimfäden ausgeworfenen
Anodonta-Larven auf den Gewässerboden und haken sich mit ihrem
Schalenhakenpaar an der Flosse eine vorbei schwimmenden Fisches
fest. Vom befallenen Gewebe umwuchert (Zystenbildung), leben sie dort
einige Wochen, schließlich ihre Entwicklung ab und fallen nach dem
Platzen der Zyste als fertige Muschel zu Boden. Allerdings übersteht
diesen komplizierten, gefahrvollen Entwicklungsgang nur ein Bruchteil
der ausgebildeten Larven.
Beim eingangs
genannten Stichling, wo nur das Männchen Brutpflege betreibt,
beschränkt sich diese nicht allein auf des Verteidigen des
Brutreviers. Dem Laich wird auch ständig Frischwasser zugefächelt,
die Nestkonstruktion den wechselnden Erfordernissen der Embryonal-
und Postembryonalenentwicklung angepasst und schließlich der
Jungfischschwarm eine Zeitlang bewacht. Befassen wir uns einmal näher
mit dem „Nestfächeln“.
Mit schräg nach
unten gerichtetem Kopf steht das Männchen vor dem Nesteingang und
fächelt den Eiern mit den Brustflossen frisches Wasser zu. Der
Rücktrieb, den der Körper dabei erhält, wird von ihm durch
Schwanzbewegungen so ausgeglichen, dass es auf der Stelle
stehen bleibt.
Mit zunehmender
Eientwicklung verlängert sich die Fächelzeit. Dauert sie anfangs in
einer halben Stunde etwa 3,5 Minuten, dann sind es nach einer Woche
20 Minuten. Äußerer Anlass für diesen Anstieg ist der wachsende
Sauerstoffverbrauch der sich entwickelnden Brut und damit die
vermehrte Kohlendioxidabgabe. Wie experimentell nachgewiesen wurde,
stimuliert die Zugabe von kohlendioxidhaltigem Wasser das
Nestfächeln. Wird der CO2-Konzentration gesenkt, so fächelt das
Männchen weniger stark. Ein ähnlicher Effekt tritt auf, wenn man
ein jüngeres Gelege gegen ein älteres und umgekehrt älteren Laich
gegen frischen austauscht. Im letzten Fall wird bei exakter
Beobachtung darüber hinaus der Einfluss innerer Faktoren spürbar.
Das Männchen fächelt zwar bei den frischen Eiern jetzt weniger
intensiv, jedoch eindeutig mehr, als dies sonst bei normalem Ablauf
am ersten Tag üblich ist. Verfolgt man aus der gleichen Sicht ersten
Austauschversuch weiter. Aus den untergeschobenen älteren Eiern
schlüpfen die Jungfische zwangsläufig zeitiger. Das Männchen
nimmt sie trotzdem an, lässt schlagartig in der Fächelintensität
nach, stellt das Fächeln aber nocht restlos ein. Es wird dann wieder
verstärkt und erreicht etwa zum Schlüpfzeitpunkt des entfernten
Geleges ein zweites Maximum.
Während die
bisher erwähnten Brutpflegehandlungen ohne übermäßigen Aufwand zu
Hause in einem Aquarium beobachtet werden könne, erfordern
äquivalente Studien an den Brutvögeln unserer Gewässer eine
schwierige und weitaus zeitaufwändigere Geländearbeit. Ihr Leben im
Verborgenen, das oft schwer zugängliche Terrain und die stets
notwendige Vorsicht zur Vermeidung von Bruststörungen sind nur
einige der die Beobachtung erschwererenden Faktoren. Die Vielfalt der
während der Brutzeit der Vögel und Jungenaufzucht erkennbaren
Verhaltensweisen ist verwirrend.
Der
Bebrütungsbeginn ist nicht einheitlich. Viele Vogelarten, die
meisten Singvögel, Gänse, Enten u.a., fangen nach Ablage des
letzten Eies oder unmittelbar vor Vollendung des Geleges an zu
brüten. Storch, Reiher, Rohrdommel und Rohrweihe (Circus
aeruginosus) beginnen mit der Brutpflege bereits nach dem ersten Ei.
Man findet in ihrem Nest deshalb auch immer Junge in verschiedenen
Altersstufen. Lachmöwen brüten teils vom ersten Ei an, teils
nachdem das Gelege vollzählig ist.
Meist teilen sich
Männchen und Weibchen in das Brutgeschäft, wie z.B. bei den
Tauchern, der Zwergdommel (Ixobrychus minutus), Teich- (Gallinula
chloropus), Bleßralle (Fulica atra), Lachmöwe und den Rohrsängern.
Ihr Anteil kann recht unterschiedlich sein, im allgemeinen trägt
aber dabei des Weibchen die Hauptlast. Bei der Großen Rohrdommel
(Botaurus stellaris), Bekassine (Gallinago gallinago) und allen
heimischen Entenarten brütet nur das Weibchen.
Im Gegensatz zu
den Nesthockern verlassen Nestflüchter in der Regel nach
wenigen Stunden, spätestens aber innerhalb von 1 bis 2 Tagen nach
dem Schlüpfen das Nest. Entenjunge können dann gleich selbständig
fressen, den jungen Rallen hält der Altvogel in den ersten
Lebenstagen die Nahrung noch vor. Lachmöwen, die zu den weniger gut
entwickelten Nestflüchtern zählen werden anfangs noch direkt
gefüttert.
Auch an der
Fütterung und Führung der Jungen beteiligen sich Männchen und
Weibchen unterschiedlich. Die jungen Enten im wesentlichen nur
vom Weibchen geführt. Meist kümmern sich jedoch beide Eltern
um die Jungen. Da die Nesthocker vielfach nackt oder nur mit wenigen
Daunen versehen schlüpfen, hudert (wärmt) und beschützt ein
Altvogel (meist das Weibchen) die Jungen, während der andere Futter
sucht und heranschafft. Sind die Jungen größer, dann füttern beide
Eltern. Bei den Singvögeln üben die auffallend gefärbten
Sperrachen der Jungen eine Art Signalwirkung aus. Drossel-
(Acrocephalus arundinaceus) und Teichrohrsänger (Acrocephalus
scirpaceus) haben beispielweise einen leuchtend gelb gefärbten
Rachen, zusätzlich stimulieren sogenannte Zungenpunkte.
Nach dem
Flüggewerden können die Jungen noch einige Zeit von den Altvögeln
gefüttert und geführt werden. Zum Teil halten die Familien auch
längere Zeit zusammen, so bei den Enten, beim Kiebitz (Vanellus
vanellus) und Rotschenkel (Tringa tatanus). Vielfach machen sich die
Jungen jedoch bald selbständig, oder sie vereinigen sich mit den
Jungen anderer Familien zu kleineren bzw. größeren Verbänden, wie
dies bei Graureihern (Ardea cinerea), Bleßrallen (Fulica atra)
Bachstelzen (Motacilla alba) und Staren (Sturnus vulgaris)
u.a. der Fall ist.
Die Brutpflege der
am Gewässer lebenden Säugetiere entziehen sich fast völlig unseren
Blicken. So säugt das Weibchen der Wasserspitzmaus (Neomys fodiens)
seine 6 bis 9 blind und nahezu nackt geborenen Jungen in einer
Erdhöle am Gewässerufer. Die gleichfalls bei Geburt blinden
Bisamratten (Ondatra zibethica) unternehmen erst nach etwa 14
bis 20 Tagen Ausflüge ins Freie. Während der ersten 8 bis 13 Tage
wird das Männchen in der Mutterburg nicht geduldet. Bei Störungen
„verlegt“ das Weibchen seine Jungen sofort in eine andere Burg.
Da man es hier mit zwei dämmerungs- bzw. nachtaktiven Arten zu tun
haben, fallen auch Beobachtungen der älteren Jungtiere nicht leicht.
Bei ihren ersten Schwimmversuchen drücken die jungen Bisame ihre
Nase rechts und links von der Schwanzwurzel in das Fell des
Alttieres, nach einem Monat schwimmen sie hinter diesem in
„Kiellienie“ her. Während ein Teil der Bisame bald abzieht und
eigene Baue anlegt, bleiben die anderen, oft die Jungtiere aller drei
Würfe eines Jahres, in einem größeren Burgkomplex über den Winter
mit den Eltern zusammen. Sicherlich wird auf diese Weise ein besserer
Kälteschutz gewährleistet. Zum Frühjahr hin lösen sich dann die
sippenähnlichen Verbände der Bisamratten auf.