Der Hydrobiologe
ist nicht überrascht, wenn die vom Teichboden entnommene Wasserprobe
einmal keinen Sauerstoff enthält. Für den Laien dürfte es jedoch
erstaunlich sein, dass unter diesen Bedingungen dennoch viele
Organismen leben können. Man findet sogar Massenansammlungen von
Larven verschiedener Zuckmücken-Arten (Chironomus) und auch
Wenigborster (Oligochaeta), wie die als Sedimentfresser bedeutsamen
Tubifex-Arten. Letztere leben in der Schlammschicht unter eigentlich
außerordentlich ungünstigen Milieubedingungen oft in solchen Mengen
(die Populationsdichte liegt häufig bei mehreren hunderttausend
Individuen pro m²), dass besonders in bestimmten organisch stark
belasteten Gewässern das Einholen dieser Futtertiere zum Vertrieb in
Zierfischhandlungen lohnt. Doch wie existieren sie eigentlich, wenn
Reservoire oder Quellen, aus denen sich Sauerstoff schöpfen ließe,
fehlen? Die Biochemie gibt darauf Antwort. Es ist der Vorgang der
Glykolyse, durch den die angeführten und auch andere Arten ihre
Energie ohne Sauerstoff, d.h. anaerob, gewinnen. Dabei entsteht in
den Zellen Milchsäure. Diese wird auch in der menschlichen
Muskulatur bei starker Belastung gebildet und verursacht den
Muskelkater. Eine anschließende Erholungsatmung baut die Milchsäure
wieder um. Daher können auch die Tiere in der Schlammschicht
nur kurzzeitig unter anaeroben Verhältnissen leben. Es geht bei
ihnen also durchaus ohne Sauerstoff, aber nur über einen gewissen
Zeitraum!
Pilz- und
Bakterienarten können sowohl mit als auch ohne Sauerstoff auskommen.
Einige leben völlig anaerob. Diese Mikroorganismen sind für den
Stoffhaushalt des Gewässers unentbehrlich. Wegen ihrer
Bedeutung bei der biologischen Selbstreinigung kann man mit Recht von
einem gewaltigen Heer mit vielen hochspezialisierten Einheiten
sprechen. Zu den üblichen Substanzen, die beim Abbau der Biomasse
anfallen, gehören vor allem Schwefel-, Stickstoff- und
Eisenverbindungen. Die Energiegewinnung erfolgt, um aus der Vielzahl
der Möglichkeiten zwei Beispiele herauszugreifen, bei den nur im
anaeroben Milieu tätigen Desulfurikanten durch die
sauerstoffunabhängige Qxidation etwa von Sulfat, Sulfit, Disulfit
und Thiosulfat mit Hilfe von elementarem Wasserstoff. Die
Nitrifikanten oxidieren sowohl unter aroben als auch anaeroben
Verhältnissen das Ammonium über die Nitritstufe zum Nitrat. Diese
durch die Gewässermikroorganismen bedingten verschiedenen
biochemischen Umsetzungen zeigt deutlich die Kompiziertheit der
Zellleistungen.
Viele Pilze, die
als Saphrophyten, Plankton- oder Fischparasiten leben (wie Mucor,
Myzocytium, Saprolegina, Aphanomyces), sind nach morphologischen
Merkmalen noch relativ leicht zu determinieren. Bei den meisten
Bakterien basiert die Systematik dagegen in erster Linie auf
zytochemischen und physiologischen Merkmalen, d.h. auf ihren
Zellleistungen. Herzu wird regelrecht ein mikrobiologisches
Laboratorium benötigt. Dieser enorme Aufwand ist jedoch
unumgänglich, da sich erst nach der Identifikation der Arten exakte
Schlussfolgerungen über die Gefährdung durch krankheitserregende
Bakterien, das Selbstreinigungsvermögen des Gewässers und weitere
ähnliche gelagerte Fragen ableiten lassen. Für den Mikrobiologen
verbinden sich mit dem Gattungsnamen wie z.B. Chromatium, Thiocystis,
Nitrobacter (Pseudomonales, Sphaerotilus, Peloploca, Pelonema
(Chlamydobacteriales, Beggiatoa und Thiotrix (Beggiatoales)
automatisch ganz bestimmte Leistungen. Den meisten von uns sagen
diese Namen nicht. Wegen ihrer Bedeutung im Stoffkreislauf verdienen
sie aber angesichts der akuten und zunehmenden Umweltprobleme
besondere Aufmerksamkeit.